Was wird als Dialekt bezeichnet?
Der Begriff „Dialekt“ bezeichnet eine sprachliche Variante, die in einem bestimmten geografischen Gebiet gesprochen wird. Die Grenze zwischen “Dialekt” und “Sprache” verschwimmt manchmal, da sie oft von historischen, kulturellen und politischen Faktoren abhängt.
Das Besondere daran ist, dass es sich nicht einfach um ein anders gesprochenes Italienisch handelt. Ein italienischer Dialekt ist eine eigenständige romanische Sprache, die sich parallel zum Standarditalienisch entwickelt hat – ähnlich wie plattdeutsch in Deutschland. Das ist auch eine eigenständige germanische Sprache und kein Dialekt.
Der Unterschied zwischen Dialekt, Regiolekt und Akzent
Um Missverständnisse zu vermeiden, ist es wichtig, in der italienischen Sprache zwischen folgenden Begriffen zu unterscheiden:
Dialekt (ital. Dialetto) | Regiolekt | Akzent (ital. Accento) | |
---|---|---|---|
Merkmal | = eigenständige Sprache mit eigener Grammatik, eigenem Wortschatz und historischer Entwicklung, | = regionale Variante des Standarditalienischen, die zwar auf der Standardsprache basiert, aber bestimmte regionale Einflüsse in Wortwahl, Syntax oder Aussprache enthält. Ein Regiolekt wird nur in einem begrenzten Gebiet gesprochen. | = regionale Aussprache des Standarditalienischen. Die Wortwahl und Grammatik bleiben gleich, aber die Aussprache verrät oft die Herkunft des Sprechers. |
Beispiel | Neapolitanisch, Sizilianisch ⇾ Personen mit diesen Dialekten können sich untereinander teilweise nicht verstehen. | Jemand spricht Italienisch, verwendet aber regional gefärbte Wörter oder Redewendungen, z. B. „mo“ (jetzt) in Süditalien statt „adesso“ in Norditalien. | Ein Sprecher aus Rom spricht korrektes Italienisch, aber mit einem „römischen“ Klang. |
Warum gibt es die Dialekte in Italien?
Dialekte wurzeln in der lateinischen Sprache des antiken Rom, die sich im Mittelmeerraum ausbreitete und dabei lokale Sprachen überlagerte.
Doch sie sind mehr als nur ein „verändertes Latein“: Barbarische Invasionen, geografische Isolation und der Einfluss alter italienischer Völker schufen im Laufe der Jahrhunderte ein einzigartiges sprachliches Mosaik.
Gründe für die zahlreichen italienischen Dialekte
Heute gibt es in Italien immer noch mehr als 30 Dialekte. Ein wesentlicher Grund für diese Vielzahl ist der große Einfluss benachbarter Kulturen in den frühen Jahren des Landes.
Damals lag Italien an den Schnittpunkten verschiedener Völker und Reiche, was zu zahlreichen Sprachkontakten und -vermischungen führte. Herrschaften wie das Heilige Römische Reich und das Habsburgerreich sowie türkische Invasionen im Süden hinterließen ihre Spuren. Dadurch entstanden unzählige verschiedene Dialekte.
Auch die geografische Isolation spielte eine große Rolle: Gebirge, Inseln und andere natürliche Barrieren trennten Gemeinschaften und ermöglichten die Entwicklung eigenständiger Dialekte.
Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist Sardinien: Die geografische Abgeschiedenheit der Insel ermöglichte die Erhaltung von dem Sardu. Eine einzigartige Sprache, die zum einen stark vom Latein beeinflusst wurde. Zum anderen auch Spuren der alten sardischen Ursprungsbevölkerung sowie Einflüsse aus der griechischen, katalanisch-spanischen und piemontesischen Herrschaft aufweist.
Die bekanntesten Dialekte Italiens im Überblick
Italien lässt sich sprachlich grob in mehrere Regionen einteilen, wobei sich verschiedene Klassifikationen nutzen lassen. Allgemein unterscheidet man:
- 1 Norditalienisch (wie Venetisch, Lombardisch, Piemontesisch)
- 2 Mittelitalienisch (wie Toskanisch und Lazialisch)
- 3 Süditalienisch (wie Neapolitanisch und Abruzzisch)
- 4 Dialekte aus dem äußersten Süden und den Inseln (wie Sizilianisch)
Neben diesen Dialekten gibt es auch verschiedene Sprachen, die durch die italienische Verfassung besonderen Schutz genießen. Minderheitensprachen wie Sardisch auf Sardinien, Friaulisch (furlan) in Friaul-Julisch Venetien und Ladinisch (ladino) in den Dolomiten werden Teil des kulturellen Erbes Italiens anerkannt und durch verschiedene Maßnahmen rechtlich geschützt.
Dazu gehören z. B. die Einführung von zweisprachigen Schildern, der schulische Förderunterricht für Minderheitensprachen und die Möglichkeit, diese Sprachen in den öffentlichen Institutionen verwenden zu dürfen.
Sonderfälle
Neben den einzelnen Dialekten, die sich als eigenständige Sprache entwickelt haben, gibt es weitere Minderheitensprachen, die nur in kleinen Gebieten vorkommen, sich aber über das ganze Land verteilen. Beispiele dafür sind:
- Südtirol: eine Region Italiens, in der die Mehrheit der Bevölkerung Deutsch als Muttersprache hat
- slowenische Gemeinschaft in Friaul-Julisch Venetien
- albanische Arbëresh-Gemeinde in verschiedenen Regionen Süditaliens
Auf der abgebildeten Karte findest du noch weitere Gebiete mit anderen gesprochenen Sprachen, außer Italienisch:
Hochitalienisch vs. Dialekt: Was ist der Unterschied?
Das Standarditalienisch, wie wir es heute kennen, entstand hauptsächlich aus dem toskanischen Dialekt, genauer gesagt aus der florentinischen Variante. Diese wurde durch die Werke großer Schriftsteller wie Dante Alighieri, Petrarca und Boccaccio im Mittelalter berühmt.
Diese Form der Sprache wurde im 19. Jahrhundert während der Einigung Italiens zur offiziellen Landessprache erklärt und bildet seither die Grundlage für Bildung, Medien und Verwaltung.
Über viele Jahrhunderte hinweg wurden Dialekte vor allem als Alltagssprache gesprochen, aber nicht geschrieben. Deswegen gab es innerhalb der italienischen Bevölkerung eine hohe Analphabetenquote, die besonders in ländlichen Regionen bis in die 1950er Jahre anhielt.
Wer Italienisch sprach, tat dies oft unter starkem Einfluss der lokalen und regionalen Dialekte – was sich in Grammatik, Wortschatz und Aussprache bemerkbar machte. Deswegen sind manche Wörter von Region zu Region völlig unterschiedlich und haben ganz verschiedene Ursprünge.
Hier ein paar spannende Beispiele, wie sich Wörter in der italienischen Hochsprache von denen in Neapel, Sizilien oder Venetien unterscheiden:
Standard-italienisch | Neapol-itanisch | Sizilianisch | Venetisch | Toskanisch | Tedesco |
---|---|---|---|---|---|
Bambino, Ragazzo | Guaglione | Picciotto | Puteo | Ragazzo | Kind, Junge |
Testa | Cap’ | Capu | Testa | Testa | Kopf |
Lavorare | Faticà | Travagghiari | Lavorar | Lavorare | Arbeiten |
Armadio | Buffetta | Armariu | Armaròn | Schrank | |
Comprare | Accattà | Accattari | Crompar | Kaufen | |
Quello | Chillo | Chiddu | Quelo | Quello | Dieser, -s |
Molto | Assaje | Assài | Sai? | Molto | Viel |
Andiamo! | Jàmm’! | Amunì! | Andemo! | Andiamo! | Lass uns gehen! |
Dove vai? | Aro vai? | Unni vai? | Dove te va? | Dove vai? | Wohin gehst du? |
Non lo so. | Nun ‘o ssaccio. | Un lu sacciu. | No lo so. | Un lo so. | Ich weiß es nicht. |
Sind italienische Dialekte schwer zu verstehen oder zu lernen?
Für alle, die Italienisch lernen, können Dialekte eine echte Herausforderung sein. Aber keine Panik: Einen Dialekt zu lernen ist nicht unmöglich, vor allem, wenn du schon das „normale Italienisch“ gut drauf hast.
Die einfachsten Dialekte zum Lernen
Für Anfänger ohne Vorkenntnisse sind die Dialekte Mittelitaliens meistens am zugänglichsten – sie sind vergleichsweise „zahm“. Dazu zählen
- das Toskanische
- Romanesco
- Umbro
- die Dialekte der Marken
- die Dialekte des Latiums.
Italienische Dialekte lernen für Fortgeschrittene
Schwieriger wird’s bei Dialekten wie Sizilianisch oder Sardisch. Hier kommt neben der Grammatik und dem Vokabular auch die Aussprache dazu, die manchmal ziemlich flott und eigenwillig ist. Und auch manch „echtes“ Venetisch oder Friulanisch macht es einem nicht gerade leichter als Italienischlernender.
Wichtig zu wissen: Gerade in den Städten kann man sich meistens problemlos auf Standarditalienisch verständigen. Einfach nachfragen, ob dein Gegenüber seine Worte wiederholen oder langsamer sprechen kann.
Und keine Angst, wenn in Venedig jemand sagt: „Te va un gotto de vin?“ – sie bieten dir nur ein Gläschen Wein an!
Sollte ich einen Dialekt lernen? Wenn ja – welchen?
Sollte das Sprichwort stimmen, dass „die Sprache der Schlüssel zum Herzen ist“, dann ist der Dialekt “der Schlüssel zur Seele”.
Wenn du einen italienischen Dialekt beherrscht, kannst du mit Muttersprachlern viel echter kommunizieren und fühlst dich dadurch in kurzer Zeit wie ein „Local“. In manchen Fällen wird es dir sogar ein Lächeln entlocken und als perfekter Eisbrecher in einem Gespräch an der Bar dienen.
Aber welchen Dialekt solltest du wählen? Das hängt stark von deinen Gründen ab.
- Hast du Familie oder Freunde in einer bestimmten Region? Dann ist es naheliegend, den Dialekt zu lernen, der dort gesprochen wird.
- Wenn du von einer bestimmten Gegend Italiens fasziniert bist, lernst du noch mehr über die Kultur und Traditionen dort, wenn du den lokalen Dialekt beherrschst.
- Wenn dein Interesse eher sprachlich ist, sind weit verbreitete Dialekte wie Neapolitanisch (napolità) oder Sizilianisch ein guter Startpunkt.
Wichtiger Tipp: Baue zuerst eine solide Grundlage im Italiano auf!
Erst wenn du ein gutes Niveau erreicht hast, lohnt es sich, dein Italienisch mit Dialekten zu erweitern.
Dabei können Filme, Serien und Musik aus den jeweiligen Regionen deine Lernreise besonders spannend und unterhaltsam machen.
- Benvenuti al Sud (Film – neapolitanisch)
- Gomorra (Film und Fernsehserie – neapolitanisch)
- Pino Daniele (Sänger – neapolitanisch)
- Carmen Consoli (Sängerin – sizilianisch)
- Pane e tulipani (Film – venetisch)
- Mannarino (Sänger – römisch und süditalienische Dialekte)